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Freiheit - Abhandlung von Christoph Müller

Bevor auf die Anforderungen und die sich daraus stellenden Aufgaben einer Gesellschaft eingegangen werden kann, deren Priorität die Freiheit ist, muss eine Definition des Begriffes „Freiheit“ stattfinden.   
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Was ist Freiheit?

Verlust impliziert einen vorangegangenen Besitz an etwas. Allerdings kann man Freiheit nicht so besitzen wie einen Stuhl oder ein Auto, ja nicht einmal so wie Intelligenz oder Kreativität. Denn Freiheit ist kein Gut im eigentlichen Sinne und keine Befähigung und doch ist sie kostbar. Was ist Freiheit also?

In erster Linie ist ihre Wahrnehmung diffus und deshalb ihre Definition so schwierig. Manche Zeitgenossen sprechen gar davon, dass es keine konkrete Definition von Freiheit gebe. Wenn dem so wäre stellt sich die Frage wie ganze Generationen von Menschen aus eigenem Antrieb ihr Blut für etwas vergießen konnten das sie, mangels Definition, nicht zu ergründen im Stande waren. Mitnichten gibt es keine Definition. Es gibt sie, doch ist das Problem, wie so häufig, die Erkenntnis derselben.

Eine geläufige Definition von Freiheit ist „die Möglichkeit, ohne Zwang zwischen verschiedenen Alternativen wählen zu können“. Wenn aber tatsächlich einzig die Abwesenheit jeglicher Zwänge Freiheit ermöglicht, so ist keiner von uns wirklich frei. Sei es durch so offensichtlich künstliche Zwänge, wie kognitive Programmierung durch Werbung und Propaganda, oder einfach den natürlichen Drang zu Essen, Trinken oder zu Schlafen – vor dem Zwang gibt es kein Entrinnen. Insbesondere wenn man sich der psychologischen Auswirkungen von Hormonen und anderen Mechanismen unseres Körpers bewusst ist, wird es schwierig ein freies Denken auch nur noch anzunehmen, von dem sich auf ein freies Handeln schließen lässt. Nehmen wir dieses freie Denken auch noch als getrennt vom physischen Körper existentes Bewusstsein, verlieren wir mit dem „Schlüpfen in den Körperanzug“ vollends die Möglichkeit der objektiven Klarheit welche die Freiheit der Wahl erfordert. Aber vielleicht ist es gar nicht so kompliziert.

Im Brockhaus-Lexikon, von 1894 fand ich, möglicherweise durch die geringere zeitliche Entfernung zur Zeit der Aufklärung, die meiner Meinung nach zutreffendste Definition. So heißt es dort: „Freiheit [ist] in allgemeiner Bedeutung soviel wie Selbständigkeit, Unabhängigkeit von äußerem Zwang [...].“ Diese Definition ähnelt der Definition von John Stuart Mill, der die Freiheit als „die Unabhängigkeit des Einzelnen von staatlichen und gesellschaftlichen Anfechtungen und Zwängen“ ansah. Beide Definitionen sprechen ganz speziell von äußeren Zwängen, denn die oben genannten, ob künstlich oder natürlich, sind allesamt Teil dessen was man als das Ich bezeichnet. Sie sind Teil unserer Selbst und beschränken uns somit nicht.

Wir sind nun einmal gezwungen unseren Körper und seine Beeinflussungen über uns ergehen zu lassen. Und ergo ist die real existierende Klarheit etwas dass stoische Logiker suchen, aber wahrscheinlich niemals zur Gänze finden werden.



Die Welt wird von Vernunft geordnet, aber durch Emotionen geführt. Die reale Existenz ist durch allumfassend gültige Gesetzmäßigkeiten geordnet. Unsere kognitiven Unzulänglichkeiten machen es uns nur unmöglich die Welt so zu sehen wie sie ist - Als eine Welt kalter Berechnung auf der Grundlage der Vernunft.

Viele Vordenker des Liberalismus argumentieren auf ihrer Suche nach einer Begründung der Freiheit mit Naturrechten, also Rechten die jeder Mensch bedingungslos hat. Das größte Machwerk dieser Art ist die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika. Dort steht geschrieben: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit.“

Was ist ein unveräußerliches Recht? Der Begriff der Unveräußerlichkeit ist unter den meisten Liberalen, aber garantiert unter Libertären eine unumstößliche Annahme: Nämlich das jeder Mensch mit Grundrechten geboren wird. Man spricht in diesem Fall von negativen Rechten. Sie müssen von keiner Regierung gewährt und niedergeschrieben werden um zu existieren und ihre Wirkung zu entfalten. Im speziellen werden in der Unabhängigkeitserklärung das Recht auf Leben, Freiheit und Streben nach Glück genannt.

Wichtigste Grundlage dieser Argumentation ist das Eigentumsrecht. Der Mensch erhält mit der Geburt das Eigentum an sich selbst. Sein Körper gehört ihm und folglich übernimmt er für jede Handlung seines Körpers die Verantwortung. Wenn der Mensch verletzt oder gar getötet wird, so wird ihm Unrecht begangen und der Täter wird zum Dieb am Körper des Menschen. Dies ist die Begründung für die Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Weiterführend lassen sich hieraus das Recht auf Selbstverteidigung und folglich auf den privaten Waffenbesitz ableiten. Da jede Handlung des menschlichen Körpers auf die Verantwortung des Menschen geschieht ist er in seinem Handeln vollkommen frei.

Die Arbeit des Menschen ist der Mehrwert seines Eigentums. Alles was ein Mensch mit seiner Hände Arbeit schafft ist sein Eigen solange er dadurch nicht zum Dieb am Eigentum seiner Mitmenschen wird, also durch Sklaverei oder Diebstahl. Das Recht auf Streben nach Glück ist das Recht die Früchte seiner Arbeit zu behalten und zu vermehren. So schließt sich der Kreis aus den Rechten auf Leben, Freiheit und Streben nach Glück um das Recht auf Eigentum. Anstatt den Grund für die Unveräußerlichkeit der genannten Rechte zu finden, haben wir ein weiteres Recht gefunden dessen Unveräußerlichkeit als Determinismus angesehen werden muss. Nicht selten findet man deswegen an dieser Stelle den Verweis auf Adam und Eva welche die Herrschaft über die Erde von Gott erhielten und daher ein Recht auf das Eigentum an ihr haben. Da man aber mit einer theologischen Argumentation, zu Recht, nur allzu schnell an der Mauer des Skeptizismus zerschellt, wollen wir stattdessen der Frage nachgehen, was überhaupt ein Recht ist und wie es unveräußerlich sein kann.



Ein Recht ist nichts anderes als eine Garantie. Also ein verbindliches Versprechen. Eine Garantie muss durch irgendjemanden gegeben und gesichert werden. Sofern man das Wirken transzendentaler Entitäten ausschließt, kann dieser Garantiegeber nur ein Mensch sein. Wenn man eine andere Person um ein Recht bittet, so kann sie es gewähren, verwehren oder auch wieder entziehen. Wie kann solch ein Recht aber unveräußerlich sein, wenn es jederzeit entzogen werden kann? Wer anders, als man selbst kann sich ein unveräußerliches Recht, eine unaufhebbare Garantie einräumen? Die Antwort ist, das nur der Mensch der in der Lage ist, sein sich selbst gewährtes Recht zu verteidigen, auch in der Lage ist ein unveräußerliches Recht zu besitzen. Ich spreche in diesem Zusammenhang von „individueller Souveränität“, der Macht frei zu handeln und dieses Handeln auf welche Art auch immer, rechtfertigen zu können. Nur der ist Souverän seiner selbst der seine Ansprüche mit entsprechendem Nachdruck zu unterstreichen weiß - Nur der ist in der Lage das Eigentum an sich selbst und dem was er damit schafft geltend zu machen.



George Carlin, ein US-Amerikanischer Kabarettist, sagte in einer seiner Shows: „[...] Leute, es tut mir echt leid euch den Spaß verderben zu müssen, aber so eine Sache wie Rechte gibt es nicht. Wir haben sie uns ausgedacht. [...] Rechte sind nur eine Idee. Sie sind nur erfunden. [...] Meiner Meinung nach kann nur eine von zwei Sachen zutreffen: Entweder haben wir unbegrenzte Rechte oder überhaupt keine Recht. Persönlich lehne ich in Richtung unbegrenzte Rechte. Ich bin der Meinung ich habe das Recht alles zu tun was ich will. Aber! Wenn ich etwas tue was dir nicht gefällt so hast du das Recht mich zu töten! Wo findet man einen faireren Deal als diesen?“



Das ist zugegebener Maßen eine recht martialische Betrachtung die leicht an „Das Überleben des Stärkeren“ erinnert, doch ist sie als Grundlage erst einmal zutreffend. Was Carlin beschreibt ist der Naturzustand. Wer Rechte haben möchte, muss sie sich selbst gewähren. Wer einen Schutz seiner Rechte möchte, muss diese selbst schützen. So weit wie jeder in der Lage ist seine Rechte zu schützen, so weit reicht die Sphäre seiner Rechte. Der individuell Schwache unterliegt hier dem individuell Starken. Und aus diesem Grund entstanden Gemeinschaften wie Familie, Stamm und letztlich komplexe Gesellschaften. All diese Gemeinschaften sind Allianzen der individuell Schwachen gegen die individuell Starken. Sie sind Gruppen die eine Übereinkunft über die individuellen Rechte ihrer Mitglieder treffen und welche Einschränkungen dieser Rechte verhältnismäßig sind.

Verhältnismäßigkeit ist ein Begriff der in der Rechtswissenschaft insbesondere bei der Frage von Grundrechtseingriffen immer wieder aufkommt. Nicht umsonst ist er immerhin ein wesentlicher Teil eines jeden juristischen Gutachtens, das sich mit der Thematik auseinander setzt. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip setzt sich mit der Frage auseinander wie weit die Beschränkung der individuellen Rechte eines jeden Teilnehmers der Gruppe gehen kann. Der Kampf um die richtige Balance von individuellen Rechten und dem Erhalt von Ordnung und Sicherheit in der Gesellschaft ist so alt wie der Mensch selbst und wird den Menschen wohl auch bis zum Ende der Zeit oder seines Egos begleiten.



Individuen die sich zusammenschließen geben Teile ihrer individuellen Rechte auf. Sie begrenzen die Sphäre ihrer Rechte um im Gegenzug eine kollektive Sphäre zu schaffen. Schwache Individuen welche sich in einer Gruppe zusammenfinden, tun dies um einem Starken Individuum oder einer anderen Gruppe zu trotzen. Sie schließen sich zusammen um dem martialischen Chaos des Naturzustandes zu entrinnen. Die Aufgabe eines Teiles ihrer Souveränität, zum Beispiel das Recht über jemanden, der an ihnen Unrecht begeht, selbst zu richten, führt zum Gewinn kollektiver Souveränität. Je mehr Rechte und Souveränität die Teilnehmer der Gesellschaft, ob freiwillig oder aus Zwang sei einmal dahingestellt, an die Gesellschaft abgeben, umso größer wird die Macht, welche diese potentiell über andere Gesellschaften hat. Autoritär und totalitär geführte Völker können große Mengen an Gütern und Arbeitskräften gegen Gesellschaften aufbringen, die sie als ihre Feinde ansehen. Gleichzeitig verlieren Mitglieder solcher Gemeinschaften meist nicht nur die Rechte über das in ihrem Besitz befindliche Eigentum sondern auch ihr Eigentum an ihrer Person.



Fassen wir also zusammen: Die Rechte des Individuums erstrecken sich nur so weit, wie das Individuum fähig ist sie gegen Ansprüche anderer durchzusetzen. Mehrere Individuen beschränken ihre persönlichen Rechte durch Übereinkünfte, um ihre Ansprüche auf die verbleibenden individuellen Rechte besser gegenüber Konkurrenten durchsetzen zu können. Folglich ist jedwedes Recht, das nicht durch eine Übereinkunft mit der Gruppe eingeschränkt wird, die Freiheit des Individuums.

Wir haben nun geklärt was die Variable Freiheit ist. Durch diese Definition wissen wir nun wohin wir unser Augenmerk richten müssen um feststellen zu können wie frei eine Gesellschaft ist. Abschließend stellt sich nun aber die Frage wie frei eine Gesellschaft sein kann und muss. Dies ist die Frage nach dem Prinzip Freiheit.



Jeder Mensch ist heute Mitglied in einer Gesellschaft. Es stellt sich somit einzig die Frage wie groß die Freiheit des Einzelnen sein sollte. Hier gibt uns die Natur einen entscheiden Hinweis: Der Mensch hat ein Ego. Er ist ein Individuum. Wenn die Natur es anders für uns gewollt hätte, würden wir wie Bienen oder Ameisen in willenlosen Kollektiven leben. Genau dieser Versuch wurde in der Menschheitsgeschichte wiederholt vielerorts unternommen. Seien es die Faschisten im Dritten Reich und Japan oder die Kommunisten in der Sowjetunion oder der Volksrepublik China, sie alle wollten Gesellschaften schaffen, in welchen der Mensch das aufgibt was ihm am teuersten ist: sein Ego.

Genauso ist der Mensch aber kein Einsiedler. Er braucht, wie nachgewiesen, seine Mitmenschen zu seinem eigenen Schutz und sucht die Gemeinschaft weil es seine Natur ist.

Das Eigentum an der eigenen Person reflektiert am Besten diese Natur des Menschen. Der Mensch ist ein Individuum und gehört niemandem außer sich selbst. Gleichzeitig muss aber jedes dem Menschen, von einem Anderen, zugefügte Leid unrecht sein, denn Unfrieden in der Gemeinschaft führt zum Verfall derselben. Der Mensch ist völlig frei in seinem Handeln und kann frei über seinen Körper verfügen, sofern er niemandem damit ein Leid zufügt. Alles was er in rechtmäßigem Handeln schafft ist das seine und er kann daraus Nutzen ziehen, solange er damit niemandem schadet.

Das Recht auf Eigentum ist unveräußerlich weil es der Natur des Menschen entspringt und genau deswegen kann eine Gesellschaft nur dann freiheitlich sein wenn sie dem Menschen keine neue Natur aufzuzwängen sucht, sondern sich selbst so einrichtet, dass sie der Natur des Menschen die Entfaltung ermöglicht und gleichzeitig die Rechtmäßigkeit seines Handelns sichert.

Eine freiheitliche Gesellschaft kennzeichnet sich also dadurch, dass sie ihren Mitgliedern die Möglichkeit gibt ihr Eigentum zu verwenden wie sie es für richtig erachten, aber gleichzeitig zu verhüten das sie es zum Nachteil Dritter verwenden. Sie muss eine größtmögliche Sphäre individueller Rechte schaffen, welche durch eine kleinstmögliche Sphäre kollektiver Rechte eingeschränkt wird
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Mit freundlicher Genehmigung von Christoph Müller 

Vollständiger Text hier:

http://baumderfreiheit.blogspot.com/2010/11/was-ist-freiheit-finale-version.html